Nach Abschluss des einjährigen Pilotprojekts und der Veröffentlichung des Berichts werden in einem dreijährigen Hauptprojekt (Januar 2024 bis Dezember 2026) die Teilbereiche der katholischen Kirche, ihre Hierarchiestufen und Ausprägungen näher untersucht. Dabei wird der sexuelle Missbrauch in der Pastoral, in den zahlreichen katholischen Bildungs- und Fürsorgeinstitutionen sowie in den verschiedenen Ordensgemeinschaften und neuen geistlichen Bewegungen ins Zentrum rücken. Ein vertiefter Blick gilt zudem transnationalen Bezügen und der Mitverantwortung des Staates. Auch die Spezifika des katholischen Milieus, das die Dynamiken des Verschweigens und Verleugnens stillschweigend akzeptiert und teilweise unterstützt hat, werden weiter erforscht. So sollen detailliertere Aussagen über die qualitative und quantitative Dimension sexuellen Missbrauchs, zeitliche und geografische Häufungen sowie die Auswirkungen der dualen Struktur der katholischen Kirche in der Schweiz ermöglicht werden. Wie bereits im Pilotprojekt werden auch in der Hauptstudie sämtliche Diözesen in allen Sprachregionen der Schweiz sowie die staatskirchenrechtlichen Strukturen und die Ordensgemeinschaften in die Untersuchung einbezogen.
In der Hauptstudie wird den Aussagen und Berichten von Betroffenen und anderen Zeitzeug:innen grosse Bedeutung zukommen. Sie werden uns dabei helfen, weitere Fälle und Mechanismen aufzudecken, die sexuellen Missbrauch ermöglichten oder gar begünstigten, und besser zu verstehen, welche Folgen der Missbrauch für die Betroffenen hatte.
Wenn Sie bereit sind über sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche zu berichten, melden Sie sich bitte unter forschung-missbrauch@hist.uzh.ch (deutsch), recherche-abus@hist.uzh.ch (französisch) oder ricerca-abusi@hist.uzh.ch (italienisch).
Ausführliche Informationen bezüglich Unterstützung bei sexuellem Missbrauch finden sich unter folgender Adresse: https://www.missbrauch-kath-info.ch/informationen-fuer-betroffene/
Projektleitung
Prof. Dr. Monika Dommann
Prof. Dr. Marietta Meier
Forschungsteam
Lucas Federer, Dr.
Magda Kaspar, Dr.
Amos Speranza, M.A.
Marilène Vuille, Dr.
Wissenschaftliche Hilfsassistenzen
Eliot Gisel
Milan Herlth
Julia Küng
Das Projekt ist am Historischen Seminar der Universität Zürich angesiedelt. Die wissenschaftliche Leitung obliegt Prof. Dr. Monika Dommann und Prof. Dr. Marietta Meier. Mit der Umsetzung werden vier wissenschaftliche Mitarbeiter:innen betraut, die von drei Hilfsassistierenden unterstützt werden. Die vier wissenschaftlichen Mitarbeitenden publizieren in eigener Verantwortung und unter eigener Autorschaft einen wissenschaftlichen Bericht, der auf dieser Webseite frei zugänglich gemacht wird.
Die Projektleiterinnen nehmen ihre Aufgabe ohne finanzielle Entschädigung wahr. Weitere Informationen.
Der Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte (SGG) hat für das Projekt einen wissenschaftlichen Beirat ernannt, der das Projekt begleitet. Der wissenschaftliche Beirat ist ein von den Auftraggebern unabhängiges Gremium, das aus ausgewiesenen Expertinnen und Experten von verschiedenen Universitäten der Deutschschweiz und der Romandie besteht. Die Mitglieder wurden für die Projektdauer ernannt, ein eigens erlassenes Reglement definiert Aufgaben und Kompetenzenverteilung.
Das Generalsekretariat des Projekts ist bei der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte (SGG) angesiedelt. Ihm obliegt die Organisation von wissenschaftlichen Workshops mit dem Beirat, die Koordination der Kommunikation sowie die Redaktion, Übersetzung und Publikation des wissenschaftlichen Berichts in deutscher, französischer und italienischer Sprache. Durch die Begleitung seitens der SGG ist die Unabhängigkeit des Projekts und die bestmögliche Verankerung in allen Sprachräumen der Schweizer Geschichtswissenschaft gewährleistet.
Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) ist das Koordinationsorgan der römisch-katholischen Bistümer der Schweiz und umfasst derzeit 9 Mitglieder: Die Bischöfe der sechs Bistümer der Schweiz, deren Weihbischöfe sowie die beiden Äbte der Territorialabteien St-Maurice und Einsiedeln.
Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) ist der Zusammenschluss der kantonalkirchlichen Organisationen. Sie besteht seit 1971 und ist als Verein organisiert. Sie trägt massgeblich dazu bei, dass die katholische Kirche ihre Aufgaben auf gesamtschweizerischer Ebene wahrnehmen kann, und setzt sich für demokratisches, solidarisches und unternehmerisches Handeln ein, das den Bedürfnissen des kirchlichen Lebens vor Ort Rechnung trägt.
Die KOVOS (Konferenz der Ordensgemeinschaften und anderer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens in der Schweiz) will der Pluralität des gottgeweihten Lebens in der Schweiz in der Öffentlichkeit und innerhalb der Kirche ein Gesicht und eine Stimme geben. Dazu nutzt sie die sozialen Kommunikationsmittel und gezielte Veranstaltungen. Die KOVOS ist ein privatrechtlicher Verein mit Sitz in Fribourg.
Fragen zum Projekt sind an projekt-missbrauch@sgg-ssh.ch zu richten.
In einem einjährigen Pilotprojekt von Mai 2022 bis April 2023 wurde eine Basis für die vertiefte Forschung zur Geschichte sexualisierter Gewalt gelegt, die katholische Kleriker, kirchliche Angestellte und Ordensangehörige seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der Schweiz ausgeübt haben. Im Zentrum der Untersuchung standen die Strukturen, die den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen und Erwachsenen ermöglichten und es erschwerten, diesen aufzudecken und zu ahnden.
Dabei wurde geklärt, welche Quellen existieren und ob die Institutionen der katholischen Kirche den Zugang zu Archiven, Akten und Zeitzeug:innen ermöglichen. Auf dieser Grundlage wurden Fragestellungen und Methoden für weitere Forschungsprojekte vorgeschlagen.
Das Forschungsteam hat im Rahmen der Pilotstudie bereits Belege für ein grosses Spektrum an Fällen sexuellen Missbrauchs gefunden – von problematischen Grenzüberschreitungen bis hin zu schwersten, systematischen Missbräuchen, die über Jahre hinweg andauerten. Insgesamt wurden 1002 Fälle, 510 Beschuldigte und 921 Betroffene identifiziert. Kirchliche Verantwortungsträger versetzten dabei beschuldigte und überführte Kleriker systematisch, mitunter auch ins Ausland, um eine weltliche Strafverfolgung zu vermeiden und einen weiteren Einsatz der Kleriker zu ermöglichen. Die Ergebnisse des Pilotprojekts wurden in einem Bericht festgehalten, der öffentlich einsehbar ist und auf ein überwältigendes nationales und internationales Medienecho stiess.
Bericht zum Pilotprojekt zur Geschichte sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts
Rapport concernant le projet pilote sur l’histoire des abus sexuels dans le contexte de l’Église catholique romaine en Suisse depuis le milieu du 20ème siècle
Rapporto sul progetto pilota per la storia degli abusi sessuali nel contesto della Chiesa cattolica romana in Svizzera a partire dalla metà del XX secolo
Video der Pressekonferenz vom 12. September 2023 in Zürich
Die Projektleiterinnen und Vertreter der römischen-katholischen Kirche stellten am 12. September 2023 an einer Pressekonferenz in Zürich den Schlussbericht des Pilotprojekts zur Geschichte sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts vor. Der Schlussbericht kann hier heruntergeladen werden.